Der Tilt und Du

Es gibt diesen Moment. Dieser Moment… wenn das Spiel einfach auseinanderzufallen scheint. Wo dem Gegner jeder Wurf gelingt, alle eigenen Würfe daneben gehen, einem der Kaffee mit zu viel/zu wenig jedenfalls nicht der richtigen Menge (oder überhaupt) Milch gebracht wird, zweiköpfige Ziegen anfangen das Gelände zu fressen und das Spiel, bei dem man nach Punkten vorne lag deshalb abgebrochen werden muss, weil die eigenen Miniaturen spontan in Flammen aufgehen und ganz allgemein von einem Moment auf den anderen sich alles hoffnungslos anfühlt.

Der Tilt. Ein Gefühlsmoment der sowohl tiefe Trauer als auch Hulk-esque Wut beinhalten kann. Ohnmacht vor der empfundenen eigenen Unfähigkeit, der spielerischen Überlegenheit des Gegners und so weiter und so weiter.

Nicht immer ist die Lage so schrecklich wie sie sich anfühlt. Unter Umständen sind nur wenige Dinge wirklich schief gegangen, oder es ist halt die eine Einheit gestorben, von der man überzeugt ist, dass ohne sie die Liste in sich zusammenfällt wie ein zu früh dem Ofen entrissenes Soufflé (Ob Soufflés immer noch ein Ding sind? Ich mein… kocht das noch jemand zu Hause selbst?) oder man verliert spontan den Glauben, dass es noch eine Chance gibt das Blatt zu wenden.

Da dies eine innerlich emotional hoch aufgeladene Situation ist, fallen rationale Lösungen wie, die Lage überblicken und sich klar machen, dass es gar nicht so schlimm aussieht, der Gegner hat sich durch seinen “Alpha Strike” ganz schön überstreckt und wenn ich jetzt…, mit Sicherheit schwer oder werden vom Gehirn erst gar nicht zur Betrachtung zugelassen weil es viel lieber den Körper wie beim letzten Terror (oder welche Band auch immer) Konzert ausrasten lassen möchte.

Oder wie bei diesem Film/Buch/Erinnerung die einen sofort in tiefe Depressionen stürzt sich zu einem kleinen Häufchen Elend zusammenrollen lassen will, dass doch nur etwas 40k spielen wollte und dessen Liste doch gut gebaut war und ähnliche tränenreiche Gedanken, die dann schnell zu Wut und Zorn mutieren, weil das Universum einen so im Stich gelassen hat.

Pauschale Tips sind hier also schwierig. Was weiß ich, ob die obigen beliebig gegriffenen Beispiele überhaupt ausreichen, um jedem klar zu machen worum es geht? Aber was jeder in so einer Situation versuchen kann ist: tief durchatmen, versuchen an etwas anderes zu denken. Für einen Moment nicht mehr das Spiel oder die gefühlt ausweglose Situation zu sehen. Dann wieder auf das Spiel schauen. Selbst wenn man sich nicht überzeugen kann, dass es noch gut ausgehen kann, sollte man versuchen sich zu überzeugen, dass es dann wenigstens an der Zeit ist mit so etwas wie Würde unterzugehen. Sicher, manchmal ist einfach kein ruhmreiches letztes Gefecht drin und nach einer weiteren Runde haben sich die schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet und man ist getabled.

Aber: dann ist es ja auch schon vorbei. Im Turnier hat man jetzt mehr Zeit sich emotional auf die nächste Runde vorzubereiten oder mit dem Gegner (wenn er denn dafür geeignet erscheint) einen Schwatz über das Spiel zu halten. Im “normalen” Spiel kann man entweder gleich die nächste Runde anfangen, evtl. bitten, dass man jetzt anfängt, sollte gefühlt die erste Runde deshalb den Bach runter gegangen sein, weil man den roll of verloren hat, oder einfach auch hier mit dem Gegner über das Spiel reden. Wie hat er das empfunden? Was war seine Sicht der Dinge? Ich bin immer wieder überrascht, wenn ich zu hören bekomme, dass ein Gegner vor meiner Liste ebenso viel Angst hatte wie ich vor seiner, oder dass er am Anfang des Spiels dachte, dass er kein Land sehen würde. Klar, nach seiner super Runde die zu meinem Tilt geführt hat, werden Gedanken dieser Art unter Umständen verschwunden sein. Aber vielleicht kann er auch besser (neutraler) artikulieren, was mit meinem Spiel schief gelaufen ist.

Und natürlich für die Turniervorbereitung an sich: Macht euch vor dem Turnier darüber Gedanken. Stellt euch die Frage ganz ernsthaft, was ich mache ich, wenn es so weit ist? Was könnte mich beruhigen, wie kann ich mich selbst davon überzeugen, dass ich jetzt nicht ausrasten muss?

Aber Ochsenfrosch, höre ich jetzt die Stimmen laut werden, das ist ja alles schön und gut aber am Ende doch viel leeres Gerede von Dir. Was mach ich denn nun wirklich?

Woher soll ich das wissen? Lasst euch treiben wie besorgtes Feuer… seid wie ein Bulldozer, allein auf einem offenen Feld… seid wie die Gebäude, die jetzt schlafen…(1)

Ahem… ich meine… um das ausufernde Geschwafel abzukürzen (zu spät!): Neben all dem oben gesagten: Versucht es gelassen zu nehmen oder auch den Irrsinn zu erkennen, sich so fundamental über etwas aufzuregen, was eigentlich nur ein Spiel ist (Heresy!) und Spaß machen sollte.

Bis zum nächsten Mal.

Viel Spaß und viel Glück.

(1): Hier will ich nicht unerwähnt lassen, dass diese Aufzählung eine recht freie Übersetzung von Songtiteln (oder Titel einzelner Passagen innerhalb eines Songs) von Godspeed You! Black Emperor ist. Eine tolle Band. Alle Rechte und geistiges Eigentum und der ganze Rest ist vollständig bei Ihnen.